Am Montag, 28. April, erlebte Spanien einen landesweiten Stromausfall, der auch Teile Portugals betraf. Das Land kam zum Stillstand und musste lange Zeit mit einer gefährlichen Situation leben, die alle staatlichen Dienste in Anspruch nahm. Ein schwarzer Tag, der die Bedeutung der Versorgungssicherheit unterstreicht. Doch bereits am Folgetag waren Stimmen zu vernehmen, die voreilig den erneuerbaren Energien die Schuld daran gaben.
In Spanien und auch in der Schweiz wurde in der Presse viel Kritik an erneuerbaren Energien geäussert, vornehmlich an Solar- und Windstrom. Spanien hat in den letzten zehn Jahren massiv in diese Energien investiert, so dass diese heute einen grossen Teil des Bedarfs decken. Beide Energieträger produzieren nicht kontinuierlich, sondern sind von den Wetterbedingungen und der Sonneneinstrahlung abhängig.
Die in den Medien nach dem Stromausfall vorgebrachte Argumentation lautet, dass Spanien durch den massiven Ausbau der Solar- und Windenergie sein Stromnetz den Produktionsschwankungen dieser Energien aussetze und es dadurch schwäche. Seit einer Woche tobt die Debatte. Ein wichtiges «Detail» dabei: Bislang ist die genaue Ursache des Stromausfalls noch gar nicht bekannt. Die ganze Debatte besteht also bloss aus Spekulationen und Vermutungen. Einige der Äusserungen lassen den Eindruck entstehen, dass der Stromausfall auf der iberischen Halbinsel dazu genutzt wird, Strom aus Atomkraftwerken oder aus Gas als die bessere Alternative zu erneuerbaren Energien darzustellen, und zwar indem man Unwahrheiten über erneuerbare Energien verbreitet.
Keine voreiligen Schlüsse
Wir wissen, dass am 28. April um 12:33 Uhr rund 60% der Stromproduktion in Spanien innerhalb von fünf Sekunden wegfielen. Unsere Kollegen von Greenpeace Spanien weisen darauf hin, dass das Land zu diesem Zeitpunkt Strom nach Frankreich und Portugal exportierte. Es ist mittlerweile ganz normal, dass Spanien Strom über die Pyrenäen und nach Portugal exportieren kann und muss, dank des Anstiegs der erneuerbaren Energien. Zwar kann eine Minderung der Sonneneinstrahlung oder ein Rückgang des Windes Produktionsrückgänge erklären, doch ist es schwer vorstellbar, dass dies zu einem so grossen und schnellen Verlust führen könnte.
Spezialist:innen für Elektrizität verwiesen schnell darauf, dass die Europäische Union Regeln aufgestellt hat, die verhindern sollen, dass Produzenten erneuerbarer Energien sich auf eine Weise vom Netz trennen, die das System gefährden könnte. Diese Sicherheitsstandards verhindern einen abrupten Einbruch der Versorgung.
Einige europäische Länder wie Dänemark oder Deutschland können an Tagen mit hohem Ertrag bis zu 90% erneuerbare Energien in ihrem Strommix erreichen. Trotzdem gab es dort keine grösseren Stromausfälle.
100% erneuerbare Energien sind möglich, ja sogar wünschenswert
Daher ist es verfehlt, Solar- und Windkraftanlagen jetzt an den Pranger zu stellen. Der Stromausfall darf nicht als Vorwand dienen, um deren Entwicklung zu verlangsamen. Die Vorteile des Ausbaus der erneuerbaren Energien rechtfertigen es, die Anstrengungen im Bereich der Energiewende fortzusetzen. Längerfristig wird dies dazu führen, dass wir unsere Klimaziele erreichen und unsere Abhängigkeit von Öl-, Gas- und Uranimporten endlich überwinden können.
Um dies zu erreichen, müssen wir die Infrastruktur für den Transport und die Speicherung von Energie schaffen, um eine sichere Versorgung zu ermöglichen. Dazu gehört auch der Einsatz neuer Technologien für Wechselrichter, um die Erzeugung von Wechselstrom auch bei starken Netzschwankungen zu gewährleisten.
Tatsächlich sind alle Technologien und Voraussetzungen, die für ein Energienetz aus 100% erneuerbaren Energien erforderlich sind, heute verfüg- und anwendbar. Unser im Jahr 2022 veröffentlichtes Energieszenario zeigt nicht nur, dass dies technisch machbar ist, sondern auch, dass die dafür erforderlichen Investitionen weit unter den Gewinnen liegen, die eine vollständig lokale und erneuerbare Energieversorgung für unsere Wirtschaft mit sich bringt.